My Heart
is in the Highlands...
English Version Reine Textversion (deutsch)
Irgendwie schon komisch, daß ich
jetzt hier sitze, in dieser langen, dunklen schottischen Winternacht, in einer Gegend, in
der es sieben Menschen auf dem Quadratkilometer gibt und wo man, um zum nächsten Nachbarn
zu gelangen, unter Umständen ganz schön weit laufen muß. Ich höre den Sturm uns Haus
toben und ich weiß, auch wenn ich sie nicht sehe, daß sich Schafe hinter unserer Mauer
(die hier übrigens "dyke" heißt, ähnlich dem deutschen "Deich"!)
ein geschütztes Plätzchen gesucht haben. Die Sonne ist gegen vier Uhr untergegangen.
Und, um einen Sonnenaufgang zu erleben, muß man nicht besonders früh aufstehen. Man kann
sich Zeit lassen, ausschlafen, sich strecken und räkeln, duschen, den Morgen- kaffee
schlürfen, und kommt dann immer noch rechtzeitig genug vor die Tür, um zu erleben, wie
sich diese wundervolle weiche Wintersonne nicht sehr weit über den Horizont erhebt,
gleich neben dem Ben Damph (Ben bzw. Beinn = Berg).
Wie ist das nur alles gekommen?
Zuerst muß ich mal festhalten, daß ich der absolut unmystischste Mensch auf der Welt
bin. Und dennoch wußte ich schon immer in meinem Innersten, daß keltische Landschaften
eine besondere Bedeutung für mich hatten. Und ich wußte es bereits, bevor ich je eine
mit eigenen Augen gesehen hatte.
Als ich dreizehn war, nahm ich an einem
Schüleraustausch mit einer Schule in der Bretagne teil. Das war die erste keltische
Begegnung. Es gab sicherlich auch einige Stellen und Ausblicke, die so waren, wie ich es
mir erträumt hatte. Alles in allem war ich jedoch ein bißchen enttäuscht. Aber ich
wußte, das konnte nicht alles gewesen sein. So nahm ich zwei Jahre später, als ich
gerade einmal fünfzehn war, mit Begeisterung die Gelegenheit wahr, mit sieben anderen
Pfadfinderinnen nach Schottland zu trampen, was Mitte der sechziger Jahre noch sehr, sehr
weit weg war! Ein richtiges Abenteuer!
Ich erinnere mich noch ganz genau an den
Tag, als es passierte! Wir waren auf dem Weg von Crianlarich nach Fort William. Ein
Geländewagen hatte vier von uns mitgenommen, und wir hatten es uns auf der offenen
Ladefläche gemütlich gemacht. Es war ein herrlicher Sommertag. Als wir durch den Glencoe
(glen = Tal) fuhren, geschah es auf einmal. Irgendetwas machte "Klick"
und es verschlug mir für geraume Zeit einfach die Sprache. Ich konnte kaum atmen vor
lauter aufsteigender Glücksbubbel. Eine Tür war aufgestoßen worden und irgendwie hatte
ich es schon immer gewußt! Und seitdem habe ich davon geträumt und geredet, einmal mein
eigenes kleines Reich in den Highlands zu haben.
Nicht, daß ich nicht auch andere Gegenden
kennengelernt hätte. Ich bin ziemlich viel herumgereist, auch in anderen Ländern mit
keltischen Traditionen. Ich war in Irland. Ich war in Wales. Es war ganz nett. Ich dachte
immer, ich käme irgendwann einmal wieder. Aber es kam nicht dazu. Nach Schottland jedoch
kehrte ich zurück.
Die Zeit verging. So vieles passierte. Ich
verliebte und entliebte mich einige Male, bis ich schließlich wußte, daß ich den
Menschen gefunden hatte, mit dem ich mein Leben verbringen wollte. Der Arme hatte
natürlich keine Ahnung, daß mein Herz auch noch an ein paar wunderbaren Bergen hing, am
Wind und am Meer und an den grünbezogenen Hügeln und der schwarzen Silbrigkeit einiger
Moorseen. Also machte ich den Test mit ihm. Beim ersten Mal umrundeten wir Schottland
buchstäblich. Alles und jede Ecke sehen zu müssen, scheint eine typische ekelhafte
deutsche Eigenschaft zu sein, so wie das Reservieren von Liegestühlen mit Hilfe von
frühverteilten Handtüchern. In der allerletzten Ecke, wo sich, wie man so sagt:
"Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen", trifft ein Auto aus München ganz
sicher auf ein Auto aus Augsburg. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen! (Unseres war das
Auto aus München!). Nach diesem Urlaub wußte ich, daß ich auch in dieser Hinsicht gut
gewählt hatte. Dem Besten aller Ehemänner gefiel es sehr! Er hatte nichts dagegen,
sobald wie möglich wieder nach Schottland zu fahren. Was wir taten!
Am Loch Torridon sind wir eigentlich nur
zufällig gelandet. Im Jahr davor war ich allein mit Rucksack auf Jugendherbergstour in
Assynt gewesen, nördlich von Ullapool, fast in der äußersten nordwestlichen Ecke von
Schottland. Wundervolle Bergen! Der Suilven thront über der Landschaft, wie ein Gebilde
aus einer anderen Welt. Herrliche Sandstrände!
Für die nächsten gemeinsamen Ferien suchte
ich nach einer preiswerten Unterkunft für uns, an der Westküste, möglichst nah diesem
herrlichen Teil von Schottland. Das preisgünstigste Angebot brachte uns nach Loch
Torridon, was nun nicht gerade um die Ecke lag. Ich war damals sogar ein bißchen
enttäuscht. Und: das Ferienhaus entpuppte sich als umgebauter Schafstall. Und: die Schafe
können auch nicht sehr groß gewesen sein! Aber die Gegend war wunderschön, und so
richteten wir uns ein und begannen sie zur erforschen.
Loch Torridon
Das Loch Torridon liegt auf dem Festland,
direkt gegenüber der Isle of Skye. Es befindet sich jenseits der unsichtbaren Grenze, die
die meisten Touristen nicht überschreiten, die in der Regel am Caledonischen Kanal und
den Lochs haltmachen, die Inverness und Fort William verbinden (darunter natürlich auch
das berühmte Loch Ness). Aber selbst für die, darüber hinaus kommen, liegt Loch
Torridon irgendwie im Windschatten des Weges zur viel berühmteren Isle of Skye auf der
einen und der Straße nach Norden, nach Gairloch und Ullapool auf der anderen Seite. So
ist es im Vergleich zu den bekannteren Feriengebieten relativ einsam und unentdeckt.
Als wir das erste Mal hierher kamen, gab es
zwei Bars (in England sagt man Pub dazu), beide in etwa gleicher Entfernung zum
Haus, und das war in beiden Fällen sehr, sehr weit. In einer der beiden Bars schlossen
wir erste Bekanntschaften mit den Eingeborenen, von denen übrigens kaum einer
wirklich eingeboren ist. Es gibt einige Familien hier, die als local gelten,
aber viele haben sich, so wie wir, irgendwann einmal dafür entschieden, zu bleiben. Wie
unser schottischer Lieblingskabarettist/-komiker Billy Connolly zu sagen pflegt: "THE
PLACE IS EMPTY!". Naja, das Land ist nicht vollständig leergeräumt, aber die
Bevölkerungsdichte ist so spärlich, daß ein bewohntes Haus mehr oder weniger bereits
einen großen Unterschied machen kann. Manchmal hängt die Existenz des Ladens, der
Tankstelle, der Schule und des Postbusses davon ab. Das mag der Grund dafür gewesen sein,
daß wir freundlich aufgenommen wurde, als wir uns schließlich entschlossen, ein
Grundstück zu erwerben, obwohl wir Fremde waren und dazu noch Deutsche.
Das ist nun viele Jahre her. 1986 kauften
wir unser Grundstück in Wester Alligin. Es war das erste, was wir je besichtigten. Auf
dem Weg dorthin, waren wir uns noch gar nicht sicher, ob wir überhaupt ernsthaft
interessiert waren, oder ob das Ganze nicht nur eine Art Ferienabenteuer sein sollte,
herumzufahren und in anderer Leute Häuser herumzustöbern.
Wir kamen an und stiegen aus. Wir spazierten
in den verwilderten Garten hinunter und drehten uns um. Was wir vorfanden, war ein
typisches Cottage (10m x 5m), mit zwei Räumen unten und zwei Räumen unter der
Dachschräge. Es war wenig besser als eine Ruine und mußte schließlich durch einen ganz
neuen Bau ersetzt werden. In der Mitte des Garten stand einer dieser häßlichen, aber
praktischen Wohnwagen, voll eingerichtet und bezugsfertig, so daß wir wenigstens ein Dach
über dem Kopf hatten, bis das Haus wieder aufgebaut war. Aber das wichtigste war die Lage
des Grundstücks und die Aussicht.
So sah's aus
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